Wohnungslosigkeit
Viele Menschen, die unsere Einrichtungen aufsuchen, haben ein „normales“ und bürgerliches Leben geführt. Oft wird danach gefragt, wie es zum Wohnraumverlust kam? Die Gründe dafür sind sehr vielfältig.
Die „klassische Wohnungslosenbiografie“ gibt es nicht. Wohnungslosigkeit kann im Prinzip jede*n treffen. Die Gründe für den Verlust der Wohnung treten nicht isoliert auf. In der Regel treffen mehrere Faktoren zusammen, z. B.: Verlust der Arbeitsstelle, Wegfall familiärer und sozialer Beziehungen, Überschuldung, persönliche Schicksalsschläge, chronische körperliche oder psychische Erkrankungen, Suchtprobleme oder Haftstrafen, das Fehlen von sozialen Sicherungsnetzen. Oftmals wird die Integration durch fehlende schulische oder berufliche Qualifikationen und/oder einen Migrationshintergrund erschwert.
Hohe Barrieren bei Institutionen, Ämtern und Behörden, z.B. Online-Termine oder umständliche Sprache, stellen für viele Betroffene eine so große Herausforderung dar, dass sie ihre sozialen Grundrechte nicht in Anspruch nehmen (können). Die sozial- und gesundheitspolitischen Reformen der vergangenen Jahre berücksichtigen oft lebensnotwendige Bedarfe wohnungsloser Menschen nicht, z.B. die Gewährleistung von Krankenhausbehandlungen nicht versicherter Personen.
Die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt haben sich für wohnungslose Menschen nicht nur nicht verbessert, sondern verschlechtern sich aktuell weiter. Wohnraum wird immer mehr vom Sozial- zum Wirtschaftsgut, sodass für arme Menschen der Zugang zu bezahlbarem zumutbarem Wohnraum fortlaufend schwieriger wird. Zudem gibt es einen deutlichen Zusammenhang von prekären Arbeitsverhältnissen und prekären Wohnsituationen, die nicht selten in Wohnungslosigkeit enden.
Wohnungslosigkeit trifft Männer und Frauen, jüngere und ältere Menschen. Rund ein Viertel der Betroffenen sind Frauen, etwa 25–30 % sind jünger als 25 Jahre. Ohne qualifizierte Hilfe ist ein Abgleiten auf die Straße vorprogrammiert.
Während die Zahl der wohnungslosen Menschen in Deutschland 2012 von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe auf 284.000 Betroffene geschätzt wurde, von denen ca. 22.000 obdachlos waren, fällt diese Schätzung genau 10 Jahre später im Jahr 2022 mit 607.000 betroffenen Menschen, davon ca. 50.000 Obdachlose, deutlich höher aus.

